Sehr geehrte Werbetreibende bei otto.de,
ich habe heute von Ihnen einen Brief bekommen, der einen 10 Euro Einkaufsgutschein enthielt. Danke dafür.
Allerdings war ich über das Begleitschreiben nicht besonders erfreut. Es fing an mit
Lieber Thomas,
Du …
Ich möchte Sie hiermit darauf hinweisen, dass ich nicht mehr zur Schule gehe und schon seit deutlich mehr als 5 Jahren volljährig bin. Als ich 18 wurde, begannen meine Lehrer mich zu Sie-zen, weil ich ja jetzt ein Erwachsener war. Sie sagten damals, das sei eine Frage von Respekt.
In der Online-Kommunikation hat sich in vielen Bereichen das Du eingebürgert, weil sie als informelle Kommunikation gesehen wird. Im täglichen Leben, sei es auf der Arbeit, auf der Straße oder im Geschäft, sehe ich das allerdings deutlich enger. Auch in geschäftlichen E-Mails verwende ich das Sie und erwarte das in der Regel auch von anderen. Ich kaufe bei Ikea, obwohl sie mich penetrant duzen, weil die Möbel oft gut durchdacht sind (allerdings auch immer weniger). Ich habe bei otto.de bestellt, weil ich etwas brauchte, nicht weil das eine so “hippe” Seite mit “coolen” Leuten ist. Und auf der Webseite wurde ich auch, wie es sich gehört, mit “Sie” angesprochen:
In jeder Lebensphase zählen für Sie andere Wünsche und Bedürfnisse, …
Wie kommen Sie also auf die Idee, mich in Ihrem Brief zu duzen? Haben wir zusammen im Sandkasten gespielt? Habe ich Ihnen das Du angeboten? So besoffen kann ich gar nicht gewesen sein!
Vielleicht sollten Sie sich mal die Bevökerungsentwicklung in Deutschland ansehen: Die Mehrzahl der Einwohner ist inzwischen erwachsen, und das auch nicht erst seit gestern. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht der einzige bin, dem es nicht gefällt, wenn er in der Werbung penetrant geduzt wird.
Ich führe übrigens schon seit einigen Jahren eine schwarze Liste mit Firmen, die mir durch nervige Werbung aufgefallen sind (in der Regel im Fernsehen, aber auch im Radio oder online), damit ich nicht irgendwann aus Versehen dort etwas kaufe. Otto.de steht da als neuester Eintrag drin.
mit freundlichen Grüßen
Thomas Müller