Alle wollen alt werden, aber keiner will alt sein, und dafür gibt es einen guten Grund:
Alt sein ist scheiße!
Es kommt der Tag, da wacht man morgens auf und stellt fest, dass man alt ist. Vielleicht passiert das nicht direkt beim Aufwachen sondern später am Tag, z.B. wenn man sich mit halb geschlossenen Augen beim Einsteigen in die Badwanne den kleinen Zeh stößt, vor Schmerzen laut schreit, ausrutscht und dann zusätzlich noch ein paar blaue Flecken abbekommt. (Zum Glück ist das in meinem Fall bisher ein fiktives Beispiel.)
Oder man will sowas einfaches wie die Plastikfolien-Verpackung von z.B. Kaugummi, Briefumschlägen etc. öffnen und sieht einfach keinen Hinweis darauf, wie das ohne Hilfsmittel wie Schere oder Messer machbar ist. Jüngere Leute mit guten Augen sehen vielleicht noch den transparenten “Faden” den man zum Aufreißen verwenden kann, oder wenn sie ihn nicht sehen, können Sie ihn mit den Fingerspitzen fühlen. Aber ältere sehen das einfach nicht mehr und auch der Tastsinn ist nicht mehr so gut wie einst. Früher waren diese “Fäden” aus gutem Grund rot, damit man sie nämlich auch mit schwindendem Augenlicht noch sehen konnte. Heute ist das anscheinend dem Marketing oder Design zum Opfer gefallen. Das ist ja auch viel wichtiger als Usablility.
Oder man will die Batterie eines elektronischen Fieberthermometers (“Neumoderner Kram!” — O-Ton meine Oma vor 60 Jahren zum Thema Telefon, sie hat nie gelernt damit richtig umzugehen) austauschen. Natürlich hat man die Anleitung aufbewahrt. Da steht “Drücken Sie den Batteriefachdeckel am Ende des Geräts mit den Fingern zusammen und ziehen Sie ihn kräftig nach hinten weg.”. Ich drücke und ziehe, nichts passiert. Ich bin vielleicht nicht Schwarzenegger (wobei: Der ist inzwischen auch alt, kennt den überhaupt noch jemand?), aber meine Kraft in den Fingern sollte doch noch ausreichen um ein sinnvoll konstruiertes Batteriefach zu öffnen!???
Alleine diese Anleitung zu lesen ist eine Herausforderung. Es handelt sich um ein DIN-A0 großes, patentgefaltetes, beidseitig bedrucktes Blatt Papier. Das bietet zwar viel Platz, aber da die Anleitung in allen Sprachen des Universums drauf steht, muss die Schrift trotzdem mikroskopisch klein sein. So lange Arme, dass ich das mit meiner normalen Brille noch lesen könnte, habe ich nicht (sähe auch komisch aus). Also Brille aus, dann gehts … halbwegs. Dann muss man noch den deutschen Teil finden, in diesem Fall erstaunlich einfach, er stand oben links. Allerdings hörte er nach zwei Seiten mitten im Satz auf!??? WTF? (Darf man das als alter Sack eigentlich schreiben? Oder weiss heutzutage sowieso keiner mehr, was es bedeutet?). Nach längerer Suche finde ich den Rest der Anleitung auf der Rückseite oben rechts. Hinweis war ein kleines Scherensymbol ✂, das einem wohl sagen soll, man solle sich den Teil der Anleitung in der gewünschten Sprache einfach aus dem Blatt herausschneiden. Wenn man das macht, bleibt tatsächlich ein ca. 1/4 DIN-A4 großer Zettel übrig, der auf zwei Seiten die komplette Anleitung enthält. Jetzt wäre es praktisch gewesen, wenn das Original-Blatt entlang der möglichen Schnittkanten gefaltet gewesen wäre (will jemand raten? Nein, war es natürlich nicht.) Es hat sich bei dieser Anleitung aber immerhin jemand eine Menge Gedanken gemacht, was man bei vielen Anleitungen ja leider nicht mehr sagen kann, so denn überhaupt noch welche beiliegen. (“Früher war alles besser!”. Erwähnte ich, dass ich alt bin?)
Immerhin komme ich allmählich in das Alter, in dem man früher im Bus einen Sitzplatz angeboten bekam. Naja, passiert ja heute sowieso nicht mehr. Immerhin brauche ich mich nicht auch noch aus diesem Grund alt zu fühlen, die anderen reichen ja auch schon.
In diesem Sinne:
Alt sein ist scheiße!